Recherchearbeit im Wolfcenter Dörverden

Am 09.06.2019 erfüllte ich mir einen Wunsch und besuchte zusammen mit meinem Mann das Wolfcenter in Dörverden bei Bremen. Die Inhaberin, Frau Christina Faß, hatte mir im Januar viele meiner Fragen zur Arbeit und Leben der Wölfe in einem telefonischen Interview beantwortet. Jetzt wollte ich dem Urahn des Hundes näher auf den Pelz rücken und buchte einen Wolfsbesuch, bei dem ich mit einem Mitarbeiter zusammen ins Gehege der Wölfe durfte, um den Raubtieren hautnah zu begegnen.

Wie stellte ich mir diesen Wolfskontakt vor? Natürlich wollte ich sie berühren, durch das dichte Fell streicheln und an ihnen schnuppern, um festzustellen, wie sich ihr Geruch von dem des Hundes unterscheidet. Ich war vorbereitet auf Wolfsküsse und raue Rempler. Obwohl ich immer behaupte, keine Angst vor dem Wolf zu haben, kroch die Aufregung in mir hoch. So stand ich um 10:45 Uhr mit klopfendem Herzen am vereinbarten Treffpunkt. 


Meine Erwartung wurde gleich zu Beginn getrübt, weil ich nicht in das Gehege der handzahmen Wölfe durfte. Der Rudelführer Odin hatte nach der letzten Ranzzeit angezeigt, dass er die Anwesenheit der Besucher im Gehege nicht mehr wollte. Also ging ich mit der sehr freundlichen Mitarbeiterin, Sarah Dierks, in das Gehege von Milan und Finja. Zuerst mussten wir in die Sicherheitsschleuse. Nachdem ich dort eingesperrt war, stieg ein ziemlich beklemmendes Gefühl in mir hoch. So war das also: eingesperrt, mit hohen Gittern um mich herum und sehr beschränkter Bewegungsfreiheit. Kein schönes Gefühl! Dann wurde der Strom abgeschaltet. Die Gehege der Wölfe sind sehr gut gesichert. Ihre Höhe, mit den abgewinkelten Ecken, hatte ich nicht erwartet. Zudem wurden sie unter der Erde mit Gittern verstärkt, sodass die Wölfe sich nicht herausgraben können. Dass die Zäune zusätzlich mit Strom gesichert wurden, wusste ich nicht, hinterließ jedoch eine Ahnung von Gefahr. Nachdem die drei Stromsperren an der Tür entfernt worden waren, konnten wir durch die zweite Tür ins Gehege hinein.

Sarah teilte mir mit, dass Milan sehr schüchtern sei und sich uns nicht nähern würde. Finja dagegen wäre neugierig und würde schon mal bis auf zwei Meter herankommen. Dadurch konnte ich das obige Foto schießen. Eine weitere Annäherung würde die Mitarbeiterin jedoch verhindern.


Ich war neugierig und stellte Sarah haufenweise Fragen. Dabei behielten wir stets die Wölfe im Blick, die durch ihr Gehege liefen. Ihr Gang ist ganz anders als der der Hunde. Wölfe laufen sehr federnd und hinterlassen keinerlei Geräusche beim Auftreten. Die Statur der Einjährigen ist eher klein, sie haben lange sehnige Beine. Sie wirkten sehr dünn, obwohl die Mitarbeiterin mir versicherte, dass die Wölfe im Center alle gut genährt seien. Sie verbrauchen viel Kalorien, weil sie nachts um die siebzig Kilometer zurücklegen. Außerdem sah das Fell der Wölfe aus, als hätte man ein Kissen aufgeschüttelt (Zitat von Sarah). Es war mitten im Fellwechsel und es standen regelrechte Büschel ab. Hier kam kein Furminator zum Einsatz, das Fell blieb beim Laufen einfach an Sträuchern hängen und wurde dadurch gezupft.

Die Gestaltung der Gehege fand ich extrem schön. Sie waren dicht bepflanzt, überall herrschte angenehm kühler Schatten. Es gab gehäufte Baumstämme zum Klettern und die auf dem Foto zu sehende Erdhöhle, von der aus die Wölfe eine gute Sicht über ihr Territorium hatten. 

Ich sprach mit Sarah über Körpersprache, das Heulen, die Gruppenzusammenstellungen, Streitigkeiten, Wasserbecken, Feuergefahr und viel zu schnell waren die dreißig Minuten um. Ohne es zu registrieren, war die Beklemmung von mir gewichen. Es war schön, den Wölfen so nahe zu kommen, aber ich hätte mir noch mehr gewünscht. 


Was mir bei dem Besuch klargeworden ist: Wölfe sind Raubtiere. Es sind keine domestizierten Kuscheltiere, die man an sich drücken und schmusen kann.  Wenn ich über Jan in seinem Rudel schreibe, dann lasse ich ihn meine Träume erleben. Er darf die Wölfe anfassen, mit ihnen balgen und vor allen Dingen sprechen. In meinem Buch sind die Wölfe zugänglich, einfühlsam, verständnisvoll. Wie ich sie mir eben wünsche. Aber so sind sie nicht. Wenn der Zaun zwischen ihnen und den Menschen ist, ertragen sie unsere Nähe, aber wenn wir ihnen auf den Pelz rücken, flüchten sie. Die hohen Sicherheitsvorkehrungen, mit denen sie gehalten werden, zeigen deutlich, dass sie nur allzu gern ausbrechen würden. Sie sind gegen ihren Willen eingesperrt und das tat mir weh. In meiner Naivität hatte ich gedacht, dass die Wölfe mit ihren guten Sinnen spüren würde, dass ich ihnen mit Respekt und Achtung begegne, und sich mir weiter näherten. Aber die Angst vor mir war zu groß. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein freilaufender Wolf uns Menschen zu nahe kommt.


Die weiteren Angebote des Centers sind vielfältig. Es gab die Erlebnisausstellung für alle Sinne, den sehr informativen Zeittunnel sowie einen gut sortieren Souvenirshop. Auch das leibliche Wohl kam im Restaurant mit den schattigen Sitzplätzen nicht zu kurz. Es war ein wunderschöner Tag, den ich sehr genossen habe. Das Center ist mit viel Liebe zum Detail, der Natur und den Tieren gestaltet. Die Beobachtungsplattformen, Tipis und Baumhäuser sind natürlich in die Umgebung eingefügt. Es hinterlässt alles einen sehr harmonischen Eindruck. Es gab auch mehrere Führungen und Fütterungen, denen wir uns jedoch nicht anschlossen. Dafür nutzte ich die Zeit, um den Wölfen beim Verdauungsschlaf zuzusehen. Jetzt sahen sie wieder aus wie die Kuscheltiere, die ich gerne mit nach Hause nehmen würde. Aber zum Kuscheln sind Wölfe nicht da!